Komet Panstarrs - der geschweifte Frühlingsbote
Ihr Begleitbuch zum Kometen
Komet Panstarrs
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Komet Panstarrs - der geschweifte Frühlingsbote
Preis: EUR 7.90

Komet Kohoutek (1973/74)

Komet Kohoutek (C/1973 E1) wurde am 07.03.1973 von dem tschechischen Berufsastronomen Lubos Kohoutek fotografisch an der Sternwarte Hamburg-Bergedorf entdeckt. Es war - wie auch die 4 anderen Kometenentdeckungen Kohouteks - ein Zufallsfund, denn eigentlich wollte der Forscher Positionen von Asteroiden bestimmen. Die bald vorgenommenen Bahnberechnungen zeigten, dass der Schweifstern sich noch jenseits der Jupiterbahn befand. Kometenentdeckungen in so großer Sonnendistanz hatten damals Seltenheitswert. Dass der Schweifstern bereits etwa 15 mag hell war, deutete auf einen großen und aktiven Kern hin. Das Perihel wurde für den 28.12.1973 bei einer Sonnenentfernung von nur 20 Millionen Kilometern berechnet. Damit waren alle Zutaten für eine helle Kometenerscheinung um die Jahreswende 1973/74 gegeben. Es wurden Ephemeriden veröffentlicht, welche eine maximale Helligkeit von -10 mag - fast so hell wie der Vollmond - prognostizierten (s. Debehogne & Meeus 1973); vorsichtigere Schätzungen sprachen von -2 bis -3 mag. Die Massenmedien stürzten sich nicht unerwartet auf die optimistischeren Prognosen und lösten einen Hype aus, wie man ihn zuletzt 1910 beim Halleyschen Kometen erlebt hatte. Ein deutsches Boulevardblatt titelte effektheischend: "Riesiger Komet rast auf unsere Erde zu"; eine Fernseh-Zeitschrift überschrieb einen Beitrag: "Ach Du Schreck der Kohoutek". Aufgeschreckt wurde zumindest die Forschergemeinschaft, bot doch die Tatsache, dass ein potentiell heller Komet 9 Monate vor Sonnennähe entdeckt worden war, die Chance, wissenschaftliche Projekte in Ruhe zu planen. Mit der Ruhe vorbei war es für Lubos Kohoutek; der zuvor nur in der Fachwelt bekannte Wissenschaftler war mit einem Schlag weltberühmt und wurde von Interview zu Interview gereicht.

Bahnen des Kometen Kohoutek und der Erde
Bahnen des Kometen Kohoutek und der Erde mit den Positionen beider Himmelskörper zu verschiedenen Zeitpunkten. (NASA)

Während des Sommers 1973 war der Komet, dem der ganze Rummel galt, erst einmal verschwunden, weil er von der Erde aus gesehen hinter der Sonne stand. Im September 1973 tauchte er wieder auf und wurde regelmäßig beobachtet. Je näher der Dezember kam desto weniger ließ sich leugnen, dass seine Helligkeitsentwicklung keinesfalls den optimistischen Prognosen entsprach. Im Dezember näherte er sich immer mehr der Sonne und war nur noch in der Abenddämmerung zu sehen. Die letzte Beobachtung vor dem Perihel gelang am 22.12.1973. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kohoutek eine Helligkeit von etwa 2.8 mag erreicht, war aber mit bloßem Auge auf Grund seiner Sonnennähe nicht sichtbar. Besser hatten es die Astronauten an Bord des Weltraumlabors Skylab. Sie waren die ersten Menschen, die einen Kometen vom Weltraum aus sahen und konnten seine Perihelpassage verfolgen. Aus ihren Beobachtungen geht hervor, das Kohoutek dabei eine Helligkeit von -3 mag erreichte - genau wie es die vorsichtigeren Prognosen angekündigt hatten.
Am Neujahrstag 1974 wurde der Schweifstern erstmals wieder vom Erdboden aus gesichtet. Clay Sharrod beobachteten ihn in den USA mit einer Helligkeit von etwa -1.5 mag in der hellen Abenddämmerung. Da er sich rasch von der Sonne entfernten, wurden die Bedingungen in den folgenden Tagen etwas besser. Doch gleichzeitig geschah etwas Unerwartetes: Kohoutek erlitt einen dramatischen Helligkeitseinbruch, am 04.01.74 hatte er nur noch 2.5 mag, am 06.01.74 3.6 mag und am 10.01.74 4.0 mag. Da zudem der Himmel über Mitteleuropa in dieser Zeit zumeist bewölkt war, wurde zumindest für die breite Öffentlichkeit aus dem angekündigten Jahrhundert-Komet ein Jahrhundert-Flop. Auch in der amateurastronomischen Szene überwog die Enttäuschung, obwohl der Komet immerhin einen bis zu 10° langen, allerdings sehr schmalen Gasschweif entwickelte. Bis zum 25.01.1974 war er noch mit bloßem Auge erkennbar, bevor ein weiterer Helligkeitseinbruch erfolgte.
Lubos Kohoutek selber kommentierte fast 25 Jahre danach: "Der Komet war nicht zu schlecht, aber auch keine große Erscheinung." (Sterne & Weltraum 3/1997, 271).

Foto von Komet Kohoutek
Komet Kohoutek am 11.01.1974 (NASA).

Auch wenn Komet Kohoutek als "Rohrkrepierer" in die Kometengeschichte einging - sein Einfluss auf die populäre Kultur wurde nur von wenigen anderen Himmelsereignissen übertroffen. Eine gute Übersicht zu diesem Thema gibt die Wikipedia. Zahlreiche heute ambitionierte Amateurastronomen der Generation um und über 50 haben durch Kohoutek und die Aufmerksamkeit, welche er in den Massenmedien fand, zu ihrem Hobby gefunden.
Bei Rückblicken wird oft übersehen, dass Kohoutek Anfang Januar 1974 für wenige Tage durchaus eine passable Erscheinung war, wenn auch kein "Großer Komet" wie Bennett und West. Doch für die Kometen- und Sonnensystem-Forschung wurde er der am besten beobachtete Komet aller Zeiten, ein Meilenstein. Erstmals wurde Radiostrahlung von einem Schweifstern gemessen. Dadurch konnte man feststellen, dass ionisierte Wasser-Moleküle mengenmäßig im Gasschweif dominieren. Im Mikrowellenbereich fand man Methylcyanid und Blausäure, im Infraroten Silikate. Im UV-Licht wurde erneut - wie zuvor bei Komet Bennett - eine Wasserstoffkoma beobachtet. Von Skylab aus wurde ein 3° langer Gegenschweif fotografiert und gezeichnet (!).
Die unerwartet geringe Helligkeit von Komet Kohoutek insbesondere nach dem Perihel wurde mit einer niedrigen Gasproduktion bei Annäherung an die Sonne erklärt. Bei Kometen, die erstmals aus der Oorthschen Wolke in das innere Sonnensytems gelangen, ist ein solches Verhalten nicht selten. Vermutlich war C/1973 E1 ein solcher Erstbesucher, jedenfalls legt die Zurückrechnung seiner Bahn dies nah. Durch gravitative Einflüsse der Planeten ist er jetzt allerdings auf eine andere Bahn mit einer Umlaufszeit von etwa 75000 Jahren gelangt.

Steckbrief des Kometen Kohoutek
Entdeckung: 07.03.1973
Perihel: 28.12.1973, 0.14 AE
Erdnähe: 15.01.1974, 0.81 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 14 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: etwa 75000 Jahre
Mit bloßem Auge sichtbar: 01.01. - 25.01.1974
Max. Helligkeit: -3.0 mag
Max. Schweiflänge: 10 Grad

Vergleich mit Komet Panstarrs
Auf den ersten Blick gibt es wenig Parallelen zwischen den Kometen Kohoutek und Panstarrs. Während die Bahn von Panstarrs senkrecht auf der Erdbahnebene steht, liegt die von Kohoutek nahezu in der Ekliptik. C/1973 E1 hatte eine Periheldistanz von lediglich 0.14 AE, bei Panstarrs sind es 0.3 AE. Kohoutek war vor und nach seinem Perihel auf beiden Erdhalbkugeln zu sehen, wohingegen Panstarrs zunächst auf der Süd- und dann auf der Nordhalbkugel beobachtbar sein wird. Doch es finden sich auch Gemeinsamkeiten:
Beide Kometen sind nach ihrer Perihelpassage für etwa eine Woche nur schwer zu beobachten, da sie in Sonnennähe in der hellen Abenddämmerung stehen; bei beiden stört der Mond die Beobachtung zumindest zeitweise. Die wichtigste Parallele besteht aber darin, dass beide Objekte sehr wahrscheinlich direkt aus der Oorthschen Wolke kommen und erstmals in Sonnennähe gelangen. Daher besteht auch bei Panstarrs eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass seine Helligkeitsentwicklung in der Zeit um die Perihelpassage hinter den Erwartungen zurückbleibt. Allerdings hat man aus dem Kohoutek-Desaster gelernt und gibt in den Ephemeriden heute konservative Helligkeitsprognosen ab. Wenn Panstarrs allerdings wirklich "schwächelt", so verschaffen uns die Beobachtungsberichte zu Kohoutek aus dem Januar 1974 eine gute Vorstellung dessen, was wir dann noch erwarten dürfen: ein sehr schönes Feldstecherobjekt, aber für das bloße Auge eine bescheidene Vorstellung.

Bahn des Kometen Kohoutek durch das innere Sonnensystem
Bahn des Kometen Kohoutek durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am Tag der größten Erdnähe.
Fotos

Google Bildersuche: "Comet Kohoutek"

Links

NASA History Program Office: Observations of Comet Kohoutek

Rainer Kracht: Kohoutek 1973 E1

Stefan Kürti: Interview with Lubos Kohoutek

NASA History Program Office: Comet Kohoutek

Der Spiegel vom 05.11.1973: Komet Kohoutek - Gala-Schau am Nachthimmel

TheStar Online: Mystery of Kohoutek

Wikipedia: Comet Kohoutek

Literatur

Anonymus (1974a): Comet Kohoutek, 1973f; The Astronomer 10, 189-191.

Anonymus (1974b): Comet Kohoutek, 1973f; The Astronomer 10, 213-217.

Anonymus (1974c): Comet Kohoutek, 1973f; The Astronomer 10, 235-238.

Anonymus (1974d): Komet Kohoutek (1973f); Sterne und Weltraum 1974 (3), 98.

Anonymus (1974e): Beobachtungen des Kometen Kohoutek 1973f auf dem calar Alto; Sterne und Weltraum 1974 (4), 128-129.

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Debehogne, H. & Meeus, Jean (1973): La comète Kohoutek (1973f); Ciel et Terre 89, 316-323.

Gerstenberger, Max (1973): Komet Kohoutek - 1973 f. In: Das Himmelsjahr, 26-27. Franckh'sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart.

Gerstenberger, Max (1974): Kometenbericht. In: Das Himmelsjahr, 25-27. Franckh'sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart.

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